Was lehrt uns die Vergangenheit? Projekt zum Verhältnis von Geschichte und Gegenwart.

Eine bekannte Redensart besagt: Geschichte wiederholt sich gern. Das gilt auch für negative historische Ereignisse. Internationale Jugendbegegnungen helfen dabei, die gemeinsame, häufig aber auch schwierige Geschichte von Völkern und Länder zu verstehen und an die Wege ihrer Versöhnung und Verständigung zu erinnern. Selbst in den schwierigsten Zeiten gab es Beispiele für menschliche Solidarität, Versöhnung und friedlichen Wandel. Es ist wichtig, konkrete historische Ereignisse in Beziehung zu aktuellen, uns unmittelbar betreffenden Ereignissen zu setzen. Auf diese Weise gelingt es, Phänomene zu verstehen, die bei einer Betrachtung der Vergangenheit allein abstrakt und ohne Bezug zur Gegenwart erscheinen mögen.

THEMENFELDER

#Geschichte #Krieg #Frieden #Menschenrechte #Solidarität #Versöhnung #historisch-politische Bildung

TEILNEHMENDENPROFIL

Das Projekt richtet sich an Jugendliche ab 14 Jahren. Da es auch um schwierige Inhalte geht, sollten die Teilnehmenden über eine gewisse emotionale Reife verfügen, in der Lage sein, sich einer kritischen Auseinandersetzung zu stellen, sowie ein Mindestmaß an Hintergrundwissen zu den behandelten Themen mitbringen. Entscheidend sind jedoch die persönliche Motivation der Teilnehmenden und ihr Interesse, an einem solchen Projekt teilzunehmen.

Es ist eine gute Idee, das Thema der Begegnung auf den persönlichen Erfahrungen der Teilnehmenden aufzubauen und sich auf ihre Ideen zu stützen. Dadurch werden die Jugendlichen stärker in das Projekt einbezogen und ermutigt, einen eigenen Beitrag zu leisten. So wird der Einfluss der Familiengeschichte auf das heutige Leben noch sichtbarer. Auf diese Weise erfahren die Jugendlichen auf persönliche Weise, wie die Geschichte unser Leben prägt, und nicht durch ein allgemeines „Nie wieder (Krieg, Völkermord usw.)“-Szenario.

MÖGLICHE AKTIVITÄTEN

Zentral für das Projekt ist die Gegenüberstellung von historischen und aktuellen Ereignissen, um so jene entscheidenden Momente und menschlichen Verhaltensweisen auszumachen, durch die es gelingt, das Böse zu besiegen und zum Frieden zurückzukehren. Frühere Generationen, die für persönliche Freiheit und Menschenrechte gekämpft haben, können heute als Beispiel dienen und jungen Menschen helfen, über ihre eigene Rolle und Verantwortung als Staatsbürger/-innen nachzudenken. So könnte bei der Beschäftigung mit dem Zweiten Weltkrieg beispielsweise das Thema Ausgrenzung und Stigmatisierung (sowie in der Folge die gesellschaftliche Isolation) bestimmter Personengruppen in den Fokus gerückt werden, um davon ausgehend Parallelen zu heute zu ziehen: Ist die „Etikettierung“ bestimmter Gruppen oder Personen und eine daraus resultierende Stigmatisierung auch heute aktuell? Durch die Betrachtung dieses Phänomens vor dem Hintergrund historischer Ereignisse lässt sich ableiten, wohin Ausgrenzung führt und was die gesellschaftlichen Folgen eines solchen Prozesses sind.

Zweifellos wird eine Diskussion über negative Aspekte der Vergangenheit mit komplizierten Emotionen verbunden sein. Um ihnen ein Ventil zu bieten, ist es ratsam, Zeit für kreative Aktivitäten und zwanglose Gespräche einzuplanen. Die einzelnen Programmpunkte müssen aufeinander und auf die Teilnehmenden abgestimmt werden. Dazu gehört auch ein Gleichgewicht von negativen und positiven, im Projekt behandelten Aspekten. Wenn z. B. der Besuch einer Gedenkstätte und die Diskussion über ein tragisches historisches Ereignis geplant ist, sollten die Jugendlichen im Vorfeld auf dieses Thema vorbereitet werden. Aufkommenden Zweifeln und Gefühlen sollte während der gesamten Begegnung große Aufmerksamkeit zukommen. Die Jugendlichen brauchen Raum, um Fragen stellen und ihre Gefühle auszudrücken zu können, vor allem aber müssen sie sich in der Gruppe sicher fühlen. Für sich genommen ist die Geschichte eine Erzählung, für die Jugendlichen aber kann sie auch Anregung für ein Nachdenken über heutige Zeiten sein. Schwierige historische Ereignisse können als Ausgangspunkt für eine Diskussion über die Conditio humana und universelle Werte wie Gerechtigkeit, Würde, Respekt oder Sinnhaftigkeit dienen.

Weitere Ideen:

  • Programmpunkte zu bestimmten historischen Ereignissen (Vortrag, Museumsbesuch, Workshop, Filmvorführung, Besuch eines Archivs oder Erinnerungsortes, Internetrecherche, Treffen mit Zeitzeugen usw.);
  • Auswertung zeitgenössischer Medienberichte zu ähnlichen aktuellen Ereignissen und ihrer künstlerischen Verarbeitung (Literatur, Film, Theater usw.);
  • kreative Aktivitäten auf Grundlage der gewonnenen Informationen und Anregungen (Inszenierung, Collage, Storytelling usw.);
  • Diskussionen über Werte, die jungen Menschen ein Gefühl für den Sinn des Lebens geben (z. B. Erstellung eines Wertekatalogs auf der Grundlage der Logotherapie von Viktor Frankl)..

VORBEREITUNG

Projektteam: Projekte des schulischen Austauschs können auf das Fachwissen der Geschichtslehrer/-innen der beteiligten Schulen zurückgreifen. Es ist jedoch sinnvoll, sich dabei nicht auf die Vermittlung „trockener“ historischer Fakten zu beschränken, sondern auf lockere Gesprächsrunden und Gruppenarbeit zu setzen. Ausgangspunkt sollten nicht historische Daten sein, sondern das, was die Menschen zu bestimmten Entscheidungen bewegt hat und was deren Folgen waren. Wenn sich das Projekt mit schmerzhaften Schicksalen und Ereignissen befasst, sollte dem Team eine Person angehören, die über eine entsprechende Moderationserfahrung verfügt und in der Lage ist, die Jugendlichen beim Umgang mit schwierigen Emotionen zu unterstützen und zu begleiten.

Externe Unterstützung: Gedenkstätten, Archive, Museen und Forschungseinrichtungen halten meist auch pädagogische Angebote bereit und können bei einem Projekt zu diesem Thema behilflich sein.

Ort: Idealerweise findet das Projekt an einem Ort statt, bei dem es einen Anknüpfungspunkt zu den Ereignissen gibt, um die es im Projekt hauptsächlich geht. Als Projektort eignet sich auch eine Gedenkstätte oder eine auf historisch-politische Bildung spezialisierte Jugendbegegnungsstätte. Das muss aber nicht die Regel sein, insbesondere im Fall von Ereignissen, die eng mit der persönlichen Geschichte einer oder mehrerer am Projekt beteiligten Personen verbunden sind (z. B. Zeitzeuginnen/ Zeitzeugen, die für ein Gespräch zur Verfügung stehen). In diesem Fall kann die Wahl des Projektorts abhängig von deren Wünschen und Vorstellungen erfolgen.

Zeit: Um den Symbolgehalt und die Bedeutung des Themas zu unterstreichen, kann das Projekt in zeitlicher Nähe zu den Gedenktagen an die im Projekt behandelten Ereignisse stattfinden.

Bei der Planung der Begegnung sollte ausreichend Zeit sowohl für die Durchführung der einzelnen Programmpunkte (z. B. Besuche in der Gedenkstätte) als auch für die Vorbereitung der Jugendlichen auf diese Programmpunkte eingeplant werden. Während des Projekts muss unbedingt Zeit für die Reflexion und den Ausdruck von Emotionen, das Stellen von Fragen und den Gedankenaustausch mit anderen bleiben.  

Material: Sinnvoll ist die Zusammenstellung der zentralen Quellen zum Projekt in beiden Sprachen bereits im Vorfeld. So können sich die Jugendlichen schon vor der Begegnung dem Projektthema annähern. Die Möglichkeit, sich mit einem schwieriges Thema in ihrer Muttersprache vertraut zu machen, hilft ihnen dabei, präzise Formulierungen zu finden, Verständnisfehler zu vermeiden und – was besonders wichtig ist – ihre eigenen Überlegungen und Gefühle frei zum Ausdruck zu bringen.

Teilnehmendenauswahl: Bei der Auswahl der Teilnehmenden ist es wichtig darauf zu achten, dass sie eine gewisse emotionale Reife sowie ausreichendes Wissen mitbringen, um sich kritisch mit den – häufig schwierigen – im Projekt behandelten Themen auseinanderzusetzen.

Weitere Hinweise: In jedem Fall sollte dem Besuch einer Gedenkstätte eine methodische und emotionale Vorbereitung der Gruppe vorausgehen und im Nachgang eine sorgfältige Auswertung des Erlebten stattfinden (s. DPJW Handreichung – Hinweise zum Besuch von Gedenkstätten durch deutsch-polnische Gruppen).

LOKALE EBENE

Wenn die Ereignisse/ Personen, um die es im Projekt geht, in Bezug zur Geschichte des Ortes oder der Region der teilnehmenden Jugendlichen stehen, ist es sinnvoll, auch im Programm an diese lokale Dimension anzuknüpfen (vor allem, wenn dieser Bezug emotional positiv besetzt ist). Es ist zum Beispiel möglich, ein Geländespiel auf den Spuren einer Person vorzubereiten oder einer Person öffentlich zu gedenken (z. B. in Form einer Gedenktafel, Ausstellung, Aufführung, Präsentation oder eines Konzerts).

KONTINUITÄT UND NACHHALTIGKEIT

Insbesondere wenn das Projekt im Rahmen einer Schulpartnerschaft stattfindet, gibt es viele Möglichkeiten, es fortzusetzen. Die während der Begegnung behandelten Themen können im Geschichtsunterricht aufgegriffen und das Projekt in ähnlicher Weise von nachfolgenden Jahrgängen wiederholt werden.

ANGEBOTE DES DPJW

„Deutschland, Polen und der Zweite Weltkrieg“: https://dpjw.org/publikationen/deutschland-polen-und-der-zweite-weltkrieg/

Unterstützung des DPJW für Projekte an NS-Gedenkstätten: www.dpjw.org/projektförderung/wege-zur-erinnerung.

BEST-PRACTICE-BEISPIEL

Projekt: „Verwirrende Schicksale der Kaschuben während des Zweiten Weltkriegs“

Partner: Europaschule Gymnasium (Schwarzenbek), Zespół Szkół Ogólnokształcących (Kartuzy).