Jugendbegegnung zum Thema Flucht und Migration

Mit dem derzeit gesellschaftlich wichtigen und medial allgegenwärtigen Thema Flucht und Migration verbinden junge Menschen manchmal auch persönliche Erfahrungen. Es sollte deshalb auch im Rahmen internationaler Jugendbegegnungen seinen Platz finden.

THEMENFELDER

#Migration #Flucht #Gesellschaft #Vielfalt #Interkulturalität #Menschenrechte #historisch-politische Bildung #Toleranz #Identität #biografische Methode

TEILNEHMENDENPROFIL

Aufgrund des sensiblen und inhaltlich anspruchsvollen Themas sollten die Teilnehmenden über eine gewisse emotionale Reife verfügen und mindestens 14 Jahre alt sein. Es wird die Begegnung bereichern, wenn sie unterschiedliche soziale, kulturelle, bildungsbezogene und andere Hintergründe mitbringen. Auch die Teilnahme von Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung ist ein Gewinn. Während des Projekts sollte darauf geachtet werden, dass besonders sie sich wohl und sicher fühlen und selbst entscheiden können, wie intensiv sie in das Projekt eintauchen und worüber sie sprechen möchten. Häufig haben sie Schweres erlebt und die Erinnerung kann zu Retraumatisierung führen (s. „Projektteam“).

Es kann jedoch auch sinnvoll sein, mit homogeneren Gruppen zu arbeiten, die ähnliche Erfahrungen, Vorkenntnisse sowie Vorstellungen zum Thema haben. Dies erleichtert es, mit den Teilnehmenden z. B. daran zu arbeiten, Ängste vor „dem Anderen“ abzubauen und eine größere Offenheit für Vielfalt zu entwickeln.

MÖGLICHE AKTIVITÄTEN

Im Programm sollte (vor allem zu Beginn der Begegnung) viel Zeit für Aktivitäten und Methoden eingeplant werden, die zu einem vertrauensvollen Umgang und einer offenen Atmosphäre in der Gruppe beitragen. Mögliche Programmpunkte zum Projektthema selbst sind:

  • Wissensvermittlung zum Thema Flucht und Migration (Vorträge, Präsentationen, Museumsbesuche, Filmvorführungen mit anschließender Diskussion, Workshops usw.);
  • Treffen mit Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung (z. B. im Format „Lebendige Bibliothek“);
  • Arbeit mit der biografischen Methode (unter Einbeziehung der Familiengeschichten der Teilnehmenden – sind z. B. Erfahrungen mit Flucht und Migration im familiären Umfeld bekannt?);
  • kritische Auseinandersetzung mit der Darstellung des Themas in den Medien – wie wird über das Thema berichtet?;
  • Treffen mit Aktivistinnen und Aktivisten, die zum Thema Flucht und Migration arbeiten;
  • künstlerische Aktivitäten, Briefaktionen.

VORBEREITUNG

Projektteam: Es ist ratsam, dass dem Team psychologisch geschulte Personen mit Berufserfahrung in diesem Bereich angehören, an die sich die Jugendlichen auch während der Begegnung in emotional schwierigen Situationen wenden können. Wichtig ist es zudem, eine Expertin oder einen Experten für das Thema Flucht und Migration (mit entsprechenden pädagogischen Kompetenzen und Instrumenten)hinzuzuziehen. Wenn diese Person eigene Flucht- und Migrationserfahrungen hat und sich zum Thema engagiert, wird das Team gleich mehrfach von ihrer/ seiner Mitarbeit profitieren.

Externe Unterstützung: NGOs und informelle Gruppen, die sich für Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung engagieren, können das Projekt auf unterschiedliche Art unterstützen (Kontakte, Daten- und Informationsmaterial, ggf. auch finanzielle, personelle oder anderweitige Unterstützung).

Ort: Weder das Thema noch die Zielgruppe stellen besondere Anforderungen an den Projektort. Gleichwohl sind mehr Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung sowie Organisationen und Initiativen, die sich für diese Menschen einsetzen, in städtischen Zentren zu finden.

Zeit: Für das Projekt sollten idealerweise 5–7 Tage Programmdauer veranschlagt werden. Eine Begegnung zu diesem Thema erfordert einen längeren inhaltlichen Einstieg und ein gutes Kennenlernen der Gruppe, damit sich die Teilnehmenden wirklich sicher fühlen. Dies ist mit einer kürzeren Programmdauer nur schwer zu erreichen, eine längere Programmdauer wiederum kann für die Teilnehmenden eine große emotionale Belastung darstellen.

Material: Im Internet gibt es eine Fülle an zuverlässigem Daten- und Informationsmaterial zum Thema Flucht und Migration (z. B. auf der Website des UN-Flüchtlingskommissariats: https://www.unhcr.org/dach/de – es unterhält u. a. Vertretungen in Berlin, Nürnberg und Warschau). Die wertvollste Informationsquelle jedoch sind Menschen, die Flucht und Migration selbst erlebt haben – ein Treffen mit Betroffenen zu organisieren, z. B. im Format „Lebendige Bibliothek“, lohnt in jedem Fall.

Teilnehmendenauswahl: s. „Teilnehmendenprofil“. Im Anmeldeformular sollte abgefragt werden, ob die am Projekt interessierten Personen besonderen Unterstützungsbedarf (z.B. Sprachmittlung o.Ä..) haben.

Weitere Hinweise: Das Projektthema erfordert in besonderem Maße, dass alle Informationen stets auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden. Auch sollte unbedingt darauf geachtet werden, eine Diskussionskultur zu etablieren, die sich auf Argumente und nicht auf Emotionen stützt sowie in der Gruppe eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Teilnehmenden sich sicher fühlen und gegenseitig vertrauen können. In Zeiten von Medienhype und Fake News sind Jugendliche – auch beim Thema Flucht und Migration – besonders anfällig für Manipulation, da sie aufgrund ihres Alters oft noch nicht in der Lage sind, eine kritische Bewertung und Auswahl der Vielzahl an vorhandenen Informationen zu treffen. Dies kann zu einer starken Polarisierung von Ansichten und damit zu Spannungen und Konflikten in der Gruppe führen.

LOKALE EBENE

„Nichts über uns ohne uns“ – getreu diesem Motto ist es sinnvoll, Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung vor Ort zum Projekt einzuladen (als Teilnehmende oder als Gäste zu einem ausgewählten Programmpunkt).

KONTINUITÄT UND NACHHALTIGKEIT

Anlass für verschiedene Projektaktivitäten – auch außerhalb der eigentlichen Begegnung – können alljährlich wiederkehrende Ereignisse wie der Weltflüchtlingstag (20. Juni) oder der Internationale Tag der Migrantinnen und Migranten (18. Dezember) sein. Die Teilnehmenden können ermutigt werden, sich ehrenamtlich für lokale Organisationen und Initiativen zu engagieren, die Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung unterstützen. Denkbar ist auch die Durchführung eines weiteren Projekts (z. B. in Form eines Workshops), der die Jugendlichen anregt und darauf vorbereitet, Botschafter/-innen des Themas im eigenen, unmittelbaren Umfeld zu werden.

ANGEBOTE DES DPJW

Diversity Box: Online-Portal  mit inhaltlichen Beiträgen sowie Informationen und Checklisten zur Unterstützung von Projekten zum Thema Vielfalt im deutsch-polnischen Jugendaustausch.: www.vielfalt.dpjw.org.

Checkliste „Vielfalt bei Jugendbegegnungen“: www.dpjw.org/publikationen/checkliste-vielfalt-bei-jugendbegegnungen.

Broschüre „Emotionale Gesundheit von jungen Menschen. 10 motivierende Übungen“ (die Publikation liegt in deutscher, polnischer und ukrainischer Sprache vor): https://dpjw.org/publikationen/emotionale-gesundheit-von-jungen-menschen-10-motivierende-uebungen.

Methodensammlung für Jugendbegegnungen: Ideenfundus (z. B. „Grenzen überwinden“).

BEST-PRACTICE-BEISPIEL

Projekt: „Aus Fremden werden Freunde – Wege aus der Fremde nach Danzig und Bremerhaven“ (das deutsch-polnische Projekt war Finalist im Wettbewerb um den Deutsch-Polnischen Jugendpreis 2017–2019 unter dem Motto „Gemeinsam in Europa. Ein Ziel“).

Im Rahmen des Projekts haben Jugendliche aus beiden Städten Interviews mit Migrantinnen und Migranten sowie dort lebenden Zuwandererinnen und Zuwandern geführt und aufgezeichnet. Ziel war es herauszufinden, was die Gesprächspartner/-innen bewogen hat, ihren Wohnort zu wechseln, und wie sie sich in Deutschland und Polen fühlen.

Partner: Lloyd-Gymnasium (Bremerhaven), V Liceum Ogólnokształcące (Gdańsk).

Ein Film über das Projekt ist auf YouTube verfügbar.