Projekt mit hörgeschädigten Jugendlichen
Jugendaustausch sollte ein Angebot sein, das allen jungen Menschen offensteht. In diesem Sinne erscheinen inklusive Bildungsangebote, die sich bemühen, bestehende Barrieren für eine Projektteilnahme abzubauen, besonders förderungswürdig. Mehr noch: Herausforderungen können eine Chance sein, kreative Lösungen zu finden – oder auch als Projektthema dienen. So könnte die Hörbehinderung einiger Teilnehmenden ein interessantes und zugleich lehrreiches Thema für die ganze Gruppe sein.
THEMENFELDER
#Inklusion #Menschen mit Behinderungen #gehörlose Menschen #MINT-Projekt #Berufsorientierung
TEILNEHMENDENPROFIL
Die Zahl der hörenden und gehörlosen/ hörgeschädigten Teilnehmenden sollte ausgeglichen sein. Geht es im Projekt um die Entwicklung technischer Hilfsmittel, die die Kommunikation zwischen Menschen mit und ohne Hörbehinderung erleichtern, müssen zudem Teilnehmende dabei sein, die entsprechende Fähigkeiten und Interessen mitbringen (z. B. Schüler/-innen technischer Berufsfachschulen oder Teilnehmende außerschulischer MINT-Angebote). In diesem Fall könnte auch die berufliche Orientierung bzw. Praxis ein Projektziel sein.
MÖGLICHE AKTIVITÄTEN
Das Format und die thematischen Schwerpunkte des Projekts können sehr unterschiedlich sein: So könnte es vorrangig um die Lebenserfahrungen von Menschen mit Hörbehinderung gehen oder es stehen praktische Aktivitäten im Vordergrund, beispielsweise die Entwicklung technischer Kommunikationshilfen.
Mögliche Programmpunkte:
- Gesten aus der Gebärdensprache lernen;
- Methode „Lebendige Bibliothek“;
- Filmvorführungen, Diskussionen oder kulturelle Angebote (z. B. Ausstellungsbesuch) zum Alltag von Menschen mit Hörbehinderung;
- (technische) Workshops zur Entwicklung von Kommunikationshilfen;
- pantomimische Übungen und Spiele;
- Aktivitäten unter Nutzung von Visualisierungen;
- Zirkusworkshop;
- Tipps für die Kommunikation zwischen hörenden und gehörlosen/ hörgeschädigten Menschen;
- gemeinsame Aktionen der Jugendlichen (im öffentlichen Raum), um ein breiteres Bewusstsein für die Situation von Menschen mit Hörbehinderung zu schaffen.
VORBEREITUNG
Projektteam: Dem Team sollten Personen angehören, die die Gebärdensprache beherrschen. Bei internationalen (z. B. deutsch-polnischen) Begegnungen ist zu beachten, dass jede gesprochene Sprache eine eigene Gebärdensprache hat (es gibt keine universelle, weltweit gültige Gebärdensprache). Zudem sollten dem Team Personen angehören, die über praktische Kenntnisse in der Bildungsarbeit mit gehörlosen/ hörgeschädigten Jugendlichen verfügen sowie idealerweise auch in der Organisation internationaler inklusiver Projekte erfahren sind.
Externe Unterstützung: Wenn keiner der Projektpartner auf die Arbeit mit gehörlosen/ hörgeschädigten Menschen spezialisiert ist (und die Teilnehmenden z. B. mittels einer offenen Ausschreibung gewonnen wurden), sollte externe Unterstützung in Anspruch genommen werden. Sowohl in Deutschland als auch in Polen gibt es entsprechend spezialisierte Schulen, Beratungsstellen, offizielle Organisationen, NGOs, Vereine (einschließlich Selbsthilfegruppen), Übersetzungsbüros sowie Fachleute für Hörgeschädigtenpädagogik.
Ort: Das Projekt kann überall stattfinden, weder Thema noch Zielgruppe schränken die Wahl des Projektortes ein.
Zeit: Die Vorbereitung eines Projekts für eine so heterogene Gruppe kann einen erhöhten Zeitaufwand bedeuten. Auch während der Begegnung sollte ausreichend Zeit für Übersetzungen eingeplant werden, da alle Beiträge in jeder gesprochenen und gebärdeten Sprache der Teilnehmenden wiederholt werden müssen.
Material: Es empfiehlt sich, spezialisierte Einrichtungen (s. „Externe Unterstützung“) zu bitten, an die Bedürfnisse gehörloser Menschen angepasste Informations- und Lehrmaterialien bereitzustellen.
Außerdem lohnt ein Blick in die Publikation „Perspektive: Inklusion. Sprache und Kommunikation in der internationalen inklusiven Bildungsarbeit. Methoden, Hinweise, Impulse“ der Kreisau-Initiative e. V. Berlin. Sie steht auf der Internetseite des Vereins (auf Deutsch, Polnisch und Englisch) zum kostenlosen Download zur Verfügung: LINK.
Teilnehmendenauswahl: Die Ausschreibung zum Projekt sollte für gehörlose/ hörgeschädigte Menschen barrierefrei zugänglich sein. Außerdem sollte im Anmeldeformular abgefragt werden, welche Unterstützung ihnen die Teilnahme am Projekt erleichtern würde.
Weitere Hinweise: Alle Methoden und Materialien sollten an die Bedürfnisse gehörloser Menschen angepasst sein. Es ist wichtig zu wissen und anzuerkennen, dass viele Gehörlose sich selbst vor allem als eigenständige kulturelle Gruppe und Sprachminderheit und weniger als Menschen mit Behinderung verstehen.
Es ist selbstverständlich möglich, das Projekt auch für Jugendliche mit anderen Behinderungen zu öffnen. In diesem Fall sollten die Aktivitäten entsprechend angepasst werden, um allen Teilnehmenden optimale Bedingungen zu bieten, einander zu begegnen, zu interagieren und voneinander zu lernen.
LOKALE EBENE
Die Beschäftigung mit der Situation von Gehörlosen/ Hörgeschädigten am Projektort (und in dessen direkter Nähe) kann ein möglicher Schwerpunkt des Projekts sein.
KONTINUITÄT UND NACHHALTIGKEIT
Anlass für verschiedene Projektaktivitäten – auch außerhalb der eigentlichen Begegnung – können auch Ereignisse wie die jährlich in der letzten Septemberwoche stattfindende Internationale Woche der Gehörlosen sein.
ANGEBOTE DES DPJW
Über das DPJW – Informationen in leichter Sprache: https://dpjw.org/etr/.
Tipps zur Organisation und Förderung inklusiver Projekte bietet die Diversity Box des DPJW.
Elektrik – Deutsch-polnischer Fachwortschatz, abrufbar auf der Internetseite „Berufliche Perspektiven“.
Unterstützung für deutsch-polnische Projekte zur Berufsorientierung bietet das Internetportal: https://zusammen-im-austausch.de.
BEST-PRACTICE-BEISPIEL
Projekt: „Welten verbinden – Barrieren in der Kommunikation mit schwerhörigen Menschen zu überwinden versuchen“ (das deutsch-polnische Projekte war Finalist im Wettbewerb um den Deutsch-Polnischen Jugendpreis 2017–2019).
Mehrere Dutzend junge Menschen aus zwei technischen Berufsfachschulen und einem Sonderpädagogischen Förderzentrum haben im Rahmen von zwei Begegnungen unter anderem ein Kommunikationsgerät entwickelt, das nach dem Prinzip einer Induktionsschleife arbeitet, externe Störungen und Verzerrungen beseitigt und somit die Kommunikation mit schwerhörigen Menschen erheblich erleichtert.
Partner: Werner-von-Siemens-Schule (Wetzlar), Zespół Szkół Politechnicznych im. Komisji Edukacji Narodowej (Łódź), Specjalny Ośrodek Szkolno-Wychowawczy nr 1 im. Janusza Korczaka (Łódź).
Film über das Projekt auf YouTube.